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Institutional Weekend 2016
Inverse Institution Statement 2014
Institutional Meditation 2014
Inverse Institution Workshop 2013
Statement Projektraumpreis 2013
Inventur des Zeitgenössischen (zur Kritik an based in Berlin) 2011



      Institutional Weekend
                  2016

A four-day workshop on institutions with Inga Zimprich
May 13th/14th/15th/16th 3 - 8 pm
Kolbas Center, Kyiv
Curated by Method Fund: Preface

At once everyone seems to be interested in the making of institutions. But how do institutions actually function? Should we demonstrate in front of them and demand to be let in? And if yes with which slogan on our lips? Can they be changed from within? Or are they already inside of us and is this where we could possibly change them?
During the institutional weekend we will work with practical exercises in which we learn to trace, question and rehearse institutional moments. Our workshop will lead through the poetics of institutions, we will develop critical and feminist perspectives on institutions and we will study them as post-colonial instruments of transition. In practical group work we will develop institutional models.

No previous knowledge on art institutions required. All experiences welcome, including bad ones.
If you need assistance, such as child care, please contact us.

Institutional Weekend Zine (Kyiv 2016) on Issuu




      Inverse Institution
      am Flutgraben

       Aus Institutionskritik eine Gruppenpraxis machen

Inverse Institution verhandelt Erfahrungen aus selbstorganisierten und kollektiven Zusammenhängen, unseren Begegnungen mit Institutionen, aber auch künstlerischer und akademischer Wissensproduktion.
            Im Projektraum des Flutgrabens erproben wir mit Inverse Institution Bedingungen, unter denen ein gemeinsamer institutioneller Raum vorstellbar wird. Wie können wir den präskriptiven Charakter der Institution, ihre Normierungs- und Normalisierungsfunktion, invertieren? Welche Verhältnisse bestehen zwischen Institution und Kollektiv? An welchen Bedürfnissen wollen wir einen gemeinsamen Ort ausrichten, um auf eine neue institutionelle Praxis zu schliessen?

In Inverse Institution versuchen wir im Handeln von innen her die Institution gemeinsam neu zu öffnen. Wir laden KünstlerInnen, Gruppen und Kollektive ein, an diesem Ort während einiger Wochen, teils zurückgezogen, teils öffentlich, zu arbeiten und sich mit uns, unseren Gästen und untereinander diesen Fragen zu widmen. Wir arbeiten mit und in Workshops, Dinner, Diskussionen, Proben, Readings, Performances und anderen Formaten, in denen wir voneinander lernen und unsere Arbeit weiterentwickeln können. Durch wiederkehrende Arbeitsperioden möchten wir diesem wachsenden Arbeitszusammenhang Kontinuität gewähren, um langfristig miteinander zu arbeiten.

Wir verhandeln innerhalb von Inverse Institution, wie wir mit sichtbarer und unsichtbarer Arbeit in selbstorganisierten Zusammenhängen umgehen, wie wir uns einerseits um den Erhalt dieser Strukturen kümmern und sie zugleich gemeinsam bearbeiten können. In unseren Entscheidungen für Rhythmen, Formate, Bezahlung und Beteiligungen setzen wir uns auch praktisch mit den Arbeitsbedingungen selbstorganisierter Räume und nicht kommerzieller künstlerischer Positionen auseinander, mit ihrer Geschichte und der Prekarität, die sie kennzeichnen.

Wir bringen Formen künstlerischer, nicht akademisierter Wissensproduktion hervor und erproben Möglichkeiten, dieses Wissen kollektiv zu halten. Im Hinblick auf die instruktiven Anordnungen und normierenden Wirkweisen musealer Räume erarbeiten wir uns andere Herangehensweisen an Formen des Zeigens, der Präsentation und Veröffentlichung.

Wir fragen, wie sich das Verhältnis zwischen gastgebender Institution und eingeladenen KünstlerInnen und Gruppen gestaltet und welche Aufmerksamkeit gemeinsame öffentliche Situationen erfordern. Die intensiven Arbeitsformate wie Workshops, Gespräche und Übungen stellen zugleich einen Kontext her, der Beteiligungen jenseits davon, Publikum zu sein, ermöglicht.

Mit Inverse Institution entwerfen wir einen Ort solidarischen Arbeitens in der bildenden Kunst.

Download PDF designed by Katja Gretzinger





      Institutionsmeditation für Gruppen

                  2014


Für diese Meditation versammelt euch als Gruppe in einem Raum. Entscheidet, wer die Meditation sprechen wird, ihr könnt euch auch abwechseln. Sucht euch eine Position, in der ihr die nächsten 45 Minuten bequem sitzen oder liegen könnt. Nehmt euch ein paar Blatt Papier und einen Stift, falls ihr Notizen machen möchtet. Ihr braucht nicht stillzusitzen, sondern könnt euch auch frei durch den Raum bewegen.

Wir möchten euch acht Fragen stellen. Nach jeder Frage könnt ihr euch etwa fünf Minuten Zeit nehmen, um über sie zu meditieren und, wenn ihr mögt, etwas aufzuschreiben. Nachdem ihr alle Fragen beantwortet habt, sprecht gemeinsam in der Gruppe über eure Antworten.

Versucht, euch auf euch selbst zu konzentrieren. Atmet tief ein und tief wieder aus. Wie fühlt ihr euch? Spürt euren Körper. Vergesst die Hektik, mit der ihr vielleicht hergekommen seid und die Deadline nächste Woche für einen Augenblick.

Hier sind unsere Fragen:

Versucht euch in Erinnerung zu rufen, wann ihr das erste Mal von einer Institution adressiert worden seid. Zum Beispiel das erste Mal, dass eine Institution euch mit Namen angeschrieben hat. Was für eine Institution war das? Was empfindet ihr, wenn ihr heute an sie denkt?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Erinnert euch daran, wie es war, mit den Möglichkeiten und Grenzen von Institutionen konfrontiert zu sein. Vielleicht hat euch die Berührung mit diesen Grenzen frustriert? Vielleicht haben euch ihre Möglichkeiten überfordert? Wie habt ihr euch in diesen Institutionen gefühlt?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Institutionen markieren eine Schwelle zwischen gesellschaftlich normierender Praxis, individuellen und gemeinschaftlichen Begehren. Sie setzt sich aus stabilen und festgeschriebenen Elementen, aber auch aus affektiven, flüchtigen Situationen zusammen. Sie werden von jenen bestimmt, die in ihr ein- und ausgehen können und sie sich zu eigen machen. Welche Aspekte einer Institution scheinen euch festgelegt und unverrückbar? Welche Wünsche und Begehren möchtet ihr in Institutionen einbringen?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Selbst einen Raum zum Ausstellen, Versammeln, Veröffentlichen zu betreiben, eine gemeinsame Praxis zu haben, heisst auch, mit den eigenen Wünschen und Gefühlen, mit dem eigenen Körper teil zu haben am Hervorbringen einer Institution, selbst Institution zu sein. Erinnert euch an eine Zeit, in der ihr Teil einer selbst gewählten Institution gewesen seid: Wie habt ihr euch darin aufgehalten? Wie hat sich der institutionelle Raum angefühlt? Hat sich die Institution, und wenn ja, wie hat sie sich in und durch euren Körper manifestiert?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Institutionen sind auch ein Erfahrungsraum, den man gemeinsam herstellt. Welche Erfahrungen habt ihr in Institutionen gemacht, die euch besonders wichtig sind? Wann seid ihr euphorisch, wann erschöpft gewesen? Welche Erfahrungen möchtet ihr in eurem institutionellen Körper weitertragen?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Welche Erfahrungen habt ihr mit Schreiben in Bezug auf Institutionen gemacht? Könnt ihr euch erinnern, wie es war, zum ersten Mal als Institution oder an Institutionen zu schreiben? Was sind das für Schriftstücke und -akte, die in eurer Arbeit an oder von Institutionen verschickt werden? Wie dokumentiert und veröffentlicht sich die Institution und das, was in ihr stattfindet? Auf welche Autorschaft gründen sich Institutionen?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Stellt euch jetzt eine Institution vor, deren Teil ihr gern wärt. Wie würde eine Institution aussehen, die euren Wünschen und Begehren entspricht, an der ihr gerne mitwirken würdet? Welche Rhythmik, welche Frequenz könnte sie beispielsweise haben? Wann wäre sie zugänglich, wann geschlossen? Wem stünde sie offen? Wie nähme man sie in Gebrauch? Und wie veröffentlicht sich ihre Arbeit, schreibt sich ein - in Öffentlichkeit?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Stellt euch einen beliebigen Tag in der Zukunft vor, an dem ihr ein Schriftstück der Institution, die ihr euch eben vorgestellt habt, erhaltet. Vielleicht erreicht es euch per Post, im Briefkasten. Was würde die Institution euch schreiben? Welche Form hätte diese Sendung? Wie adressiert sie euch? Wozu ruft sie euch auf?

Nehmt euch fünf Minuten Zeit

Beendet nun euer Schreiben.
Atmet tief ein und tief wieder aus.
Kommt langsam wieder in diesem Raum an.

Sammelt euch kurz, bevor ihr beginnt, eure Antworten zu besprechen.



Wir haben nach Formen gesucht, die unserer Gruppe eine kontinuierliche und kollektive Reflektion über unsere eigene institutionelle Praxis ermöglichen. Wie können wir den präskriptiven Charakter der Institution, ihre Normierungs- und Normalisierungsfunktion, invertieren? Welche Verhältnisse bestehen zwischen Institutionalität und Kollektivität? Was wäre eine emanzipatorische und solidarische Institution? Die Institutionsmeditation hat uns als eine Methode gefallen, die einen besonderen Gebrauch vom Erinnern und Vorstellen eröffnet, mit dem sich individuelle Erfahrungen, gerade des Alltäglichen, in ein kollektives Gespräch übersetzen lassen.
Institutionsmeditationen sind eine Methode, die wir im Inverse Institution Workshop 2013 und in diesem Jahr im gemeinsamen Workshop Formats and forms of writing mit Liv Strand und Marcus Doverud entwickelt haben. Auch mit Vereinsmitgliedern in Bezug auf den Flutgraben selbst haben wir mit Meditationen gearbeitet. Diese leicht abgewandelten Fragen haben Lydia Hamann, Jo Zahn, Inga Zimprich, Janine Eisenächer und Sönke Hallmann vorbereitet.

Das gemeinsame Arbeiten - in Kollektiven, Gruppen, Initiativen und losen Zusammenhängen - bestimmt unsere Programmierung des Projektraums im Atelierhaus am Flutgraben. Unser Programm, das wir Inverse Institution nennen, versteht sich als der Versuch, alle Aspekte der Kunstinstitution einer kritischen Befragung zu unterziehen, um auf ein neues Institutionsmodell zu schliessen, das wir im Laufe mehrerer Jahre zusammen mit beteiligten Künstler_innen und Kollektiven entwickeln und verwirklichen möchten.






      Statement Projektraumpreis

                  2013


Liebe Projekträume, liebe Jury,

zum zweiten Mal bewerben wir uns hiermit mit einem gewissen Unbehagen um das Preisgeld der Projekträume. Einerseits freut es uns sehr, dass die Arbeit der vielen Räume und Initiativen in der Stadt gewürdigt wird, die durch die vielen in der Stadt ansässigen Künstler_innen schon lange betrieben werden. Auch dass das Netzwerk der Projekträume im Dialog mit dem Senat so viel erreicht hat, freut uns. Andererseits beunruhigt uns auch das Bild kreativer Unter- nehmer_innenschaft1, das in den Medien von Projektraum- betreiber_innen gezeichnet wird und dem wir bereitwillig zuarbeiten, ohne auf dessen Widersprüche hinzuweisen2.

Was wir gern vermieden hätten, ist mit euch, den anderen Räumen, in Wettbewerb zu treten und um das ausgeschriebene Preisgeld zu konkurrieren. Bei euch waren wir doch schon zu Gast, haben mitgearbeitet, gefeiert, mitdiskutiert und ausgestellt: im After the Butcher, Arttransponder, B_books, Kotti-shop, Okk, Raumerweiter- ungshalle, Sparwasser HQ, Superbien, Uqbar und WestGermany. Unsere Idee war doch, einen solidarischen Raum für Künstler_innen aufzubauen, in denen sie nicht "fit gemacht werden für den Markt" und für ihre spätere Verwertbarkeit trainieren, sondern bewusst nach Alternativen suchen: Wie denken wir uns unsere künstlerische, selbstorganisierte Arbeit in einer Stadt mit Zehntausend Künstler_innen? Welche Ressourcen brauchen wir, um diese Zusammehänge zu stärken?

Unser Unbehagen betrifft nicht nur die doppelte Funktion des Preises, zu würdigen und zugleich zu trennen, sondern natürlich auch uns selbst. Eine Bewerbung ist immer der Versuch, unsere Exzellenz zu beweisen, und Merkmale der Alleinstellung zu formulieren, aufzuzeigen, was uns von euch unterscheidet und was uns besser macht, erfolgreicher, innovativer oder auch kritischer, radikaler. Vielleicht sogar noch, indem wir diesen "kritischen" Brief unserem Antrag voranstellen, mit dem wir uns nichtsdestoweniger in diesen Wettbewerb begeben. Wie wollen wir eigentlich mit diesem altbekannten Gefühl der Konkurrenz umgehen? Welche unserer Formate wirken dem entgegen? Wie können wir darüber ins Gespräch kommen? Können wir gemeinsame Strategien entwickeln, diesen Ort des Preises so zu gestalten, dass er uns nicht lediglich in der Geste einer Spaltung zusammenbringt?

Statt eines Antrags würden wir viel lieber einander schreiben, um uns diesen Widersprüchen zuzuwenden, in denen wir uns befinden. Katja Diefenbach antwortet in einem Interview in SITE: "B_books radical momentum has for quite some time exhausted itself in a situation in which everyone opens a bar, a shop or a project space, and DIY is multiplied on a commercial level in a city, in which creative micro- companies are an explicit part of its economical and image production."4 Vielleicht hilft uns dieser Brief als Ort, um davon etwas zur Sprache zu bringen und gemeinsam zu versuchen, herauszufinden, welche Bilder wir in Zukunft von uns selbst geben wollen.(5)

1) Siehe Artikel im Tagesspiegel vom 27.04.2013 oder andere Tageszeitungen, die die Projekträume besonders wegen ihrer frischen Unternehmer_innen feiern.

2) Berlin is seen by many as the Mecca of contemporary art, a centre of creativity where you can stumble upon innovative art projects and galleries with names like "Mind Pirates' or 'Institut für alles Mögliche' on every corner of the street. Berlin received this image of a dynamic, innovative art city not so much because of its museums and opera houses, but in the first place because of the 'freie Szene'. This scene consists of all the artists that are not permanently employed in an art institute and that don't get structural funding. This amounts to 95% of all artists in Berlin. -- Marlou de Bont, www.rectoverso.be

4) But can we see b_books as a general model of alternative education? I don't think so. You can't simply repeat this gesture in today's conjuncture: this particular non-university, non- shop, non-gallery and non-club, which simultaneously was all of these things at once. b_books radical momentum has for quite some time exhausted itself in a situation in which everyone opens a bar, a shop or a project space, and DIY is multiplied on a commercial level in a city, in which creative micro-companies are an explicit part of its economical and image production. -- Katja Diefenbach interviewt durch Karl Lydén in SITE Wie können wir ein anderes Bild zeigen, als das der jungen, hippen, ohne Geld und Kontext auskommenden Unternehmer_innen des Selbst?




Inventur des Zeitgenössischen
Zur Kritik an based in Berlin
(Inga Zimprich, Janine Eisenächer, Sönke Hallmann)

Mit based in Berlin findet aktuell eine Ausstellung statt, die vor allem über die Situation der Gegenwartskunst in Berlin Auskunft geben will. Exemplarisch, so der formulierte Anspruch, soll eine Auswahl gegenwärtiger Positionen von in Berlin ansässigen KünstlerInnen Einblick in die "dynamische Kunstproduktion" der Stadt vermitteln. Tatsächlich scheint es an der Zeit zu sein, sich über die Situation der zeitgenössischen Kunst, ihrer Institutionen und Konditionen in Berlin erneut zu verständigen.

Im Vorfeld der Ausstellung hatte die Vergabe öffentlicher Gelder und Stiftungsmittel für ein einmaliges Ausstellungsprojekt generelle Kritik ausgelöst. Ein Teil des Protests, der sich in der Diskussionsreihe Haben und Brauchen geäussert hat, entzündete sich zudem an den intransparenten Entscheidungsprozessen und der fachlichen Inkompetenz, die in Ausschreibung und Auswahl von Kuratoren wie Schauplätzen und dem vorläufigen Arbeitstitel von based in Berlin offensichtlich wurden. Mit dieser Kritik unter den KünstlerInnen fällt zugleich auch das Gewahrwerden zusammen, dass jene, die die kulturelle Produktion dieser Stadt über viele Jahre mitgestaltet und geprägt haben, dringend einer Selbstverständigung über die gegenwärtigen Entwicklungen bedürfen.

Lässt sich das thesenhafte, kurzzeitige Arbeiten internationaler Ausstellungsprojekte und Biennalen zwar grundsätzlich kritisch befragen, wird darin doch zumeist der Versuch unternommen, Aspekte von Zeitgenossenschaft künstlerischer und theoretischer Produktion herauszuarbeiten. Die Position des Kuratierens ist in besonderer Weise mit den Bezügen zwischen künstlerischer Produktion, zeitgenössischer Theorie und dem städtischen, sozialen wie institutionellen Kontext ihrer Entstehung befasst. Berlin als Ort zeitgenössischer Kunst zeigt diese Bezüge und ihren Widerstreit exemplarisch auf.

Mit der Verlagerung pop-theoretischer Diskurse, politischer Aktion und Kunstproduktion aus anderen Städten nach Berlin zu Beginn der 1990er Jahre, eröffnete die wachsende Kunstszene der Stadt ein Feld aktiver Ausgestaltung kritischer künstlerischer Praxen und kuratorischer Modelle. Durch das Versprechen eines immer weiteren möglichen Aufschubs zog dieses kulturelle Feld aus den Innenstadtbezirken in die umliegenden Kieze, um in zumeist temporären Produktionsorten kuratorische Ansätze und künstlerische Arbeitsmodelle wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Trotz der stetigen Etablierung Berlins als international relevantem Ort für zeitgenössische Kunst und Theorie, gelang es kaum, öffentliche und institutionelle Strukturen diesen Praxen und Ansätzen entsprechend zu entwickeln. Die Kunstproduktion Berlins findet sich heute mit den Auswirkungen der ihr eigenen Dynamik konfrontiert. Sie ist gegenwärtig auf die Fragen zurückgeworfen, welche ökonomischen Abhängigkeiten sie erzeugt und erträgt, welchen urbanen Entwicklungen sie sich unterwirft und wie viel Widerständigkeit sie selbst zu produzieren in der Lage ist.

based in Berlin bleibt als Ausstellung hinter dem möglichen Anspruch, dem Zeitgenössischen der Kunstproduktion Berlins nachzugehen, weit zurück. Selbst das vorbehaltlich vorangestellte kuratorische Verfahren, von dem, was man in den zahlreichen Atelierbesuchen findet, ganz unvoreingenommen auszugehen, scheint zu keinem weiteren Schluss zu führen, als zu Gunsten der formalen, zeitlich befristeten "emerging artists" andere mögliche Kriterien und Konzepte fallen zu lassen. Kuratorische Verfahren und Formate werden jedoch gerade in einem Gefüge von Diskursen und Praktiken geschärft und entwickelt.

In der Übersicht, die based in Berlin nun vorschlägt, begegnen wir hingegen eher einem Gestus der Inventur, der symptomatisch für gegenwärtige Umwertungen in Berlin ist. In ihrer Aneinanderreihung werden Diskurse, Praktiken, Formen und Modelle lediglich aufgerufen, weder vertieft noch miteinander in Beziehung gesetzt. Gerade diese kriterienlose Ansammlung setzt das kritische Potenzial der einzelnen ausgestellten Arbeiten ausser Kurs. Das oft unbezügliche Nebeneinander der übersichtsschau based in Berlin führt zur überblendung von Differenzen, zur Homogenisierung unterschiedlicher Bewegungen, Erfahrungen, Modelle und Formen künstlerischer Produktion, die in Berlin eine langfristige Erprobung erlebt haben. Auch die in der Ausstellung vertretenen Projekträume sind diesem inventarischen Gestus ausgesetzt. In Anbetracht der institutionellen wie institutionskritischen Praxen und kuratorischen Verfahren, die die Kunstproduktion der Stadt geprägt haben, ist es bedenklich, programmatisch auf die Vertiefung vorhandener künstlerischer Arbeitsweisen und kuratorischer Ansätze zu verzichten.

Zu kritisieren ist ein solcher Verzicht vor allem deshalb, weil in den sich durchsetzenden Formaten und Vorstellungen dessen, was Produzieren und Ausstellen von Kunst aktuell bedeutet und bedeuten kann, auch das Vermögen der hier arbeitenden KünstlerInnen verhandelt wird. Insbesondere grosse Ausstellungsprojekte stehen in der Verantwortung, einen vielleicht befristeten Kontext vorzuschlagen, in dem eine konzeptionelle, inhaltliche und formale Verhandlung des Gegenwärtigen und des öffentlichen einsetzen kann. In ihnen geht es letztlich auch um die Arten und Weisen, in der Kunst und mit der Kunst zu Wort zu kommen. Beansprucht based in Berlin also, eine Art exemplarischer Positionsbestimmung Berliner Gegenwartskunst zu geben, dann besetzt sie diesen wichtigen definitorischen Ort, ohne sich ihm zuzuwenden. Diese definitorische Stelle gilt es, als KunstproduzentInnen wieder einzunehmen.



Janine Eisenächer lebt und arbeitet in Berlin. In ihrer Tätigkeit als Konzept- und Performancekünstlerin entwickelt sie Solo-/Duo- und Gruppenperformances, häufig im Kontext rechercheorientierter Projekte, sowie Interventionen im öffentlichen Raum und interaktive Ausstellungsformate. Seit 2006 ist Eisenächer Co-Kuratorin des Performer Stammtisch.

Inga Zimprich ist Künstlerin und lebt in Berlin. 2006 initiierte sie die Faculty of Invisibility, die sich mit Institutionalität und öffentlichkeit künstlerisch auseinandersetzt. Als Faculty of Invisibility, gemeinsam mit Sönke Hallmann, kuratierte sie u.a. das Ausstellungsprojekt "Versammlung" in der Shedhalle Zürich (2010).

Sönke Hallmann lebt und arbeitet in Berlin. In 2006 hat er das Department of Reading gegründet und ist seitdem auch Teil der Faculty of Invisibility. Seine theoretischen Arbeiten befassen sich insbesondere mit Praxen des Lesens und Schreibens.

Gemeinsam leiten sie das Atelierhaus Flutgraben e.V. als Vorstand.

Bis 24. Juli 2011 im Atelierhaus Monbijou, KW Institute for Contemporary Art, Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, Neuer Berliner Kunstverein n.b.k., Berlinische Galerie. www.basedinberlin.com
Der offene Brief, den Haben und Brauchen initiiert hat, ist hier einzusehen: HYPERLINK "http://www.salonpopulaire.de/habenundbrauchen.htm" www.salonpopulaire.de/habenundbrauchen.htm. Haben und Brauchen setzt sich seitdem als Diskussionsreihe fort.